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gehaltvoll: Expeditionen ins Ja-Land
Zum Schicksal
Ja sagen ist
zu sich selber
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Die bekannte Schriftstellerin lassene Ja spricht (immer von neu- Ich denke, dass man sich dieses
Luise Rinser (1911-2002) schreibt em, denn es muss lange geübt wer- Begriffs in der Alltagssprache im-
in „Gespräche über Lebensfragen“ den und ist nie sicherer Besitz), der mer noch bedient, um auszudrü-
(1966) über „Ja sagen zum Leben“: wird erfahren, dass das Geschick, cken, dass man auf bestimmte
auch das wirklich widrige (eine Lebensumstände, ob positiv oder
„Wir haben nämlich nur zwei unheilbare Krankheit etwa…) negativ, keinen Einfluss hat oder
Möglichkeiten, unserm Schicksal nach und nach seine Feindselig- hatte.
zu begegnen: das Nein und das keit verliert und, indem wir uns Egal wie alt ich bin, es gibt Be-
Ja. Das Nein ist illusorisch, denn ihm anpassen, seinerseits sich uns dingungen in meinem Leben, zu
es bewirkt nicht, dass wir ein an- anpasst, und schließlich werden denen ich ja sagen sollte, die ich
deres Schicksal bekommen; es wir merken, dass dieses Geschick als gegeben hinnehmen sollte.
bedeutet vielmehr, dass das aufer- nichts außerhalb unserer selbst ist, Ob ich diese nun Schicksal nenne
legte Schicksal nur umso schwerer nichts Feindliches, sondern dass oder nicht, solche Bedingungen
drückt, sowie den Hund das Sta- wir selbst es sind und dass wir, zum sollten dann zu Ausgangspunkten
chelhalsband dann einschneidet, Schicksal, so wie es nun einmal ist, werden, von denen aus ich Ver-
wenn er sich sträubt… Wer jeden ja sagend, zu uns selber ja sagen.“ antwortung für mein Leben über-
Tag aufs neue sein Schicksal be- nehme, ob ich nun viel oder nur
klagt, dem wird es zur feindlichen Aber wer spricht heute noch von sehr wenig verändern oder darauf
Schlange. Wer aber das große, ge- Schicksal? aufbauen kann.
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